Ein Modell für die Analyse von Blockaden in der Entwicklung von Organisationen
Wenn in Organisationen Probleme auftreten, wird oft das Verhalten der Menschen dafür verantwortlich gemacht. Mitarbeiter:innen werfen Führungskräften gerne vor, ihnen nicht zuzuhören und die Kontrolle behalten zu wollen. Führungskräfte erleben oft, dass Mitarbeiter:innen sich nicht ändern und keine Verantwortung übernehmen wollen. Und beide Seiten können all dies durch Erfahrungen aus der Vergangenheit untermauern.
Statt Risse in den Wänden zu kitten
Doch, wenn das Fundament eines Gebäudes nicht stimmt, kann man Jahre damit verbringen, die Risse in den Wänden zu kitten. Der Versuch, das Verhalten der Menschen zu ändern, ohne vorher die Entscheidungsmacht zu organisieren, ist wie die Bekämpfung von Symptomen – oder eben wie das Zementieren von Rissen in Mauern, die auf einem ungeeigneten Fundament gebaut sind. Soziokratische Berater:innen beginnen deshalb mit der Analyse der Ursachen der Symptome. Erst das Fundament, dann die Symptome.
Damit sind wir bei der Art und Weise, wie Führung organisiert und akzeptiert wird. Wie die formale Verbindung zwischen den Mitarbeitenden und zwischen den verschiedenen Ebenen der Organisation hergestellt wird. Wie Kommunikation stattfindet und auf welche Weise Probleme gelöst werden – linear (d.h. von oben nach unten) oder zirkulär?
Kreisförmige Prozesse wecken Leidenschaft für die Arbeit
Ein dynamischer Prozess kann nur gesteuert werden, wenn seine Leistung gemessen (nicht beurteilt) wird und die Maßnahmen bewertet und gesteuert werden. Auch unser Körper ist ein Organismus, der aus einer Vielzahl kreisförmiger Prozesse besteht (dafür sind z. B. Venen und Arterien usw. da). Wenn eine Gruppe von Zellen isoliert ist, kann sie nicht gelenkt werden und wuchert unkontrolliert. Ohne die geeignete Verbindung ist es unmöglich, angemessen zu steuern und schnell zu reagieren. Und um dauerhafte Verbindungen aufrechtzuerhalten, ist die Gleichwertigkeit aller Elemente bei der Entscheidungsfindung eine Voraussetzung.
In Organisationen, in denen die Entscheidungsmacht noch nicht gut organisiert ist, bleiben die Menschen (nur) so lange zusammen, wie die Vorteile des gemeinsamen Handelns stärker sind als ihr Bedürfnis nach Autonomie. Um ihre Autonomie und Sicherheit zu erhalten, tun Mitarbeitende nur das, was von ihnen verlangt wird. Und erst nach der Arbeit fangen sie an, die Leidenschaft zu leben, die ihnen bei der Arbeit fehlt.
Es gibt nicht den einen einzigen Weg
Sobald die Strukturen der Entscheidungsmacht angepasst und die Gleichwertigkeit in der Entscheidungsfindung formalisiert ist, beginnt langsam der Mentalitätswandel. Dann wird erkannt, dass es einen gemeinsamen Traum und ein gemeinsames Ziel gibt und dass es nicht den einen einzigen Weg gibt, sie zu erreichen. Spannungen und Unterschiede stimulieren die Entwicklung. Schritt für Schritt ändert sich die Denkweise und damit auch das Verhalten.
Gleichwertige Entscheidungsstrukturen zwischen den Ebenen verbessern die Kommunikation und tragen dazu bei, das Vertrauen aufzubauen, das für die Delegation nach oben und unten erforderlich ist. In allen gut geführten soziokratischen Organisationen und Projekten wird die Fähigkeit zur Selbstorganisation erhöht – d. h. die Qualität der Zusammenarbeit und die Fähigkeit zur Lösung von Problemen nimmt systematisch zu.