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Eine Frage der Haltung – «a Sociocratic Mindset»

Wie sehr mit der SKM die erwünschte Wirkung erzeugt wird, ist sehr abhängig von der Qualität der Anwendung. Neben Wissen und Fähigkeiten, ist die Haltung grundlegend für die Qualität der Anwendung. SKM umzusetzen ist darum mehr als eine Technik – sie entfaltet ihre Wirkung durch eine soziokratische Haltung.

Konventionelle Sichtweisen ändern

«Genau das tut sie immer.» Ein Mitglied des Allgemeinen Kreises beklagt sich über seine Leitung, die regelmässig zu bestimmten Traktanden sagt: «Dieses Thema ist Ausführung, das gehört nicht in den Kreis.» Falls ein Kreismitglied das in Frage stellt, ist ihre Antwort: «Die Soziokratie sagt, wir sollen Grundsätze und Ausführung trennen. Und dieses Thema ist Ausführung, das entscheide ich selbst.» «Und damit eignet sie sich Entscheidungen an, die wir nicht beeinflussen können.» Die Leitung sagt: «Die Mitarbeitenden melden sich nicht, sie beklagen sich ausserhalb der Kreisversammlung. Doch sie sollen mich ansprechen.» So bestätigt man sich gegenseitig in den alten Mustern. Sich da weiterzuentwickeln ist nicht einfach.

Das Entwickeln einer soziokratischen Haltung ist Bereicherung wie Herausforderung. Die grosse Herausforderung liegt in unseren bisherigen Verhaltensmustern, die sich oft als Antwort auf den konventionellen, linearen Umgang mit Macht entwickelt haben. Diese Verhaltensmuster bestehen oft aus einer Mischung aus Streiten, Flüchten oder Erstarren. Sie treten dann besonders stark an die Oberfläche, wenn wir in spannungsvolle Situationen geraten (was auch in soziokratischen Strukturen vorkommt). Wir brauchen also einen soziokratischen Umgang mit Spannung, eine Lernhaltung.

Eine Lernhaltung entwickeln

Diese Lernhaltung ermöglicht uns, auch wenn wir viel Spannung erfahren, diese zu regulieren. Das bedeutet: mit den unterschiedlichen Sichtweisen in Verbindung zu bleiben, ihre Gleichwertigkeit aufrecht zu erhalten und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Hier oft besonders schwierig: Die Situation nicht nur aus der eigenen Perspektive zu betrachten, und die unterschiedlichen Sichtweisen aufeinander abzustimmen, statt sie abzulehnen.

Die soziokratische Haltung beginnt bei der Motivation für die Anwendung des Soziokratischen Kreisorganisationsmodells (SKM). Wenn man SKM betrachtet als ein Mittel, um Andere von eigenen Plänen zu überzeugen oder Leitung und Hierarchie pauschal abzulehnen oder als etwas, womit Andere (z. B. die Leitung) dir Gleichwertigkeit verschaffen sollen, dann wird SKM nicht die für Organisation und Mitarbeitende gesuchte Wirkung haben. Dann bleiben wir in den alten Mustern und es wird nicht gelingen, mit Hilfe der SKM die Qualität und Effektivität der Zusammenarbeit für alle Beteiligten zu steigern.

Ein grundlegender Aspekt dieser Haltung ist also unsere Bereitschaft von und mit Anderen zu lernen, uns Mühe zu geben, unsere Sichtweise auf andere Sichtweisen abzustimmen. Schwerwiegende Einwände und andere Meinungen willkommen heissen. Diese besser zu verstehen, auch wenn sie bei uns (viel) Spannung erzeugen. Mut haben, die eigene Sichtweise zu vertreten, sie kritisch zu hinterfragen und sogar anzupassen. Sich die Zeit für solche Abstimmungsprozesse zu geben, weil wir uns damit weiterentwickeln können als Individuum, Gruppe und Organisation.

Allerdings funktioniert das Entwickeln dieser Haltung nicht so, wie man einen Schalter betätigt. Es braucht Übung und überzeugende Beispiele von Menschen, die schon mehr Erfahrung mit diesem Prozess haben.