, ,

Essentials Soziokratische Moderation 2 – Die drei Phasen

Soziokratische Moderation von Sitzungen ist nur ein Baustein des Soziokratischen Kreisorganisationsmodells (SKM). Jedoch ist sie durchaus essentiell, da die Qualität von Sitzungen einen enormen Einfluss auf das Ergebnis und die Motivation der Teilnehmenden hat. In Essentials Soziokratische Moderation 1 sind wir schon auf einige Grundsätze soziokratischer Moderation eingegangen. Im Folgenden widmen wir uns den verschiedenen Phasen der Entscheidungsfindung im Konsent und was die Moderation tun kann, um diese besser zu gestalten.

Im SKM werden Grundsatzentscheide (im Gegensatz zu operativen Entscheiden) im Konsent gefällt. Das bedeutet: Niemand hat einen schwerwiegenden Einwand. Um diesen Prozess zu erleichtern und zu strukturieren, geht die Moderation – nachdem das Thema/Traktandum vorgestellt wurde – in drei Schritten vor:

1. Bildformung

Ziel der Bildformung ist es, dass die Kreismitglieder auch tatsächlich vom Gleichen reden.

Alle Kreismitglieder erhalten deshalb die Möglichkeit, Verständnisfragen zu stellen oder zusätzliche Informationen beizusteuern. Die Bildformung ist erst abgeschlossen, wenn alle Kreismitglieder das nötige Wissen haben, um sich eine Meinung bilden zu können.

Die Trennung von Bildformung und Meinungsbildung mag banal wirken – sie ist jedoch in vielen Sitzungen keinesfalls Standard: Nach langer lebhafter Diskussion wird plötzlich klar, dass die Kreismitglieder von unterschiedlichen Umständen ausgegangen sind – oder eine neue Information taucht erst jetzt auf, welche die ganze vorige Diskussion überflüssig macht. Das Ergebnis: Frust und verlorene Zeit! Genau das wird durch eine konsequente Trennung von Bildformung und Meinungsbildung verhindert.

Was tun, wenn Bildformung und Meinungsbildung vermischt werden?

Tatsächlich ist diese Trennung für die meisten Menschen gar nicht so einfach. Es passiert schnell, dass sich eine Meinung in die vermeintliche Verständnisfrage einschleicht oder sich die «ergänzende Information» als ausschweifendes Plädoyer entpuppt. Hier ist es Aufgabe der Moderation, konsequent einzugreifen. So wird es mit der Zeit für alle Kreismitglieder einfacher, die Vermischung von Verständnisfrage und Meinung zu erkennen und bei Bedarf darauf hinzuweisen.

2. Meinungsbildung

Das Ziel der Meinungsbildung ist es, die verschiedene Aspekte und Meinungen zu einem Thema zu verstehen und abzuwägen. Nacheinander äussern alle Kreismitglieder ihre Sichtweise. Mit der Zeit beginnen die Kreismitglieder, sich aufeinander zu beziehen und andere Meinungen in die eigene Sichtweise zu integrieren: die Magie des Kreises! Die Moderation kann den Teilnehmenden dabei helfen, aufeinander einzugehen, indem sie jeweils nach einer Runde fragt: Wie hat das, was ihr jetzt von den anderen gehört habt, eure Meinung verändert? Wie könnt ihr es aufnehmen?

Was tun, wenn einzelne Menschen viel Raum einnehmen?

Wie in Teil 1 beschrieben wird grundsätzlich in Runden gesprochen, was dazu führt, dass alle Kreismitglieder zu Wort kommen und sich weniger starke «Sprech-Hierarchien» bilden. Dennoch kann es passieren, dass einzelne Personen durch sehr lange Gesprächsbeiträge mehr Raum einnehmen als andere. Was dazu führen kann, dass auch andere ihre Statements verlängern, nach dem Motto: Ich muss mein Sprech-Fenster so gut wie möglich ausnutzen!

Hier kann es als Moderation hilfreich sein, den Kreis am Beginn daran zu erinnern, dass es mehrere Runden geben wird. Die Moderation kann auch konkrete Vorgaben machen, wie: Wir machen eine eher kurze erste Runde, bitte fasst eure Meinung in 1-2 Sätzen zusammen. Ein solcher zu Beginn geäusserter Rahmen vereinfacht es auch, Personen, welche die Vorgaben massiv überschreitet, höflich zu unterbrechen und sie zu bitten, zum Ende zu kommen.

Bei gewissen, beispielsweise sehr emotionalen, Themen, kann es durchaus wertvoll sein, ausführliche Beiträge zuzulassen (dazu mehr hier). Grundsätzlich sind aber viele Runden mit eher kurzen Statements oft besser als wenige Runden mit langen Meinungsäusserungen, weil es dadurch leichter wird, sich aufeinander zu beziehen.

3. Konsent

Ziel der Konsent-Phase ist es, zu einem gemeinsamen Entscheid zu kommen, welcher von allen mitgetragen wird. Die Moderation oder die Kreismitglieder formulieren – basierend auf den Meinungsbildungsrunden – einen Vorschlag, welcher dann zum Konsent gestellt wird.

Hat die Moderation nicht zu viel Macht, da sie den Entscheidungsprozess massiv beeinflussen kann?

Die moderierende Person hat grundsätzlich eine Doppelrolle. Sie ist einerseits Kreismitglied mit eigener Meinung, andererseits leitet sie den Entscheidungsprozess. Es kann eine Herausforderung sein, diese beiden Rollen nicht zu vermischen.

Eine Strategie ist, immer wieder verbal festzuhalten, in welcher Position man gerade spricht, also: Ich als Kreismitglied denke… oder Als Moderation schlage ich vor…. Das führt nicht nur zu mehr Transparenz gegenüber dem Kreis, sondern auch zu mehr Klarheit bei sich selbst.

Eine weitere Möglichkeit ist es, das Formulieren des Konsentvorschlags wenn immer möglich den Kreismitgliedern zu überlassen (siehe dazu auch Teil 1). Ausserdem kann die Abschlussrunde dazu genutzt werden, der Moderation Feedback zu geben und sie z.B. auf übermässige Einflussnahme ihrerseits hinzuweisen. Zuletzt sei noch betont, dass auch die Moderation eine gewählte Rolle ist: Kommt der Kreis zum Schluss, dass die Moderation trotz Feedback zu viel Macht ausübt, kann er diese jederzeit durch eine geeignetere Person ersetzen. Die Einhaltung dieser klaren Struktur (Bildformung – Meinungsbildung – Konsent) bei der Entscheidungsfindung gibt nicht nur der Moderation, sondern auch den Kreismitgliedern Sicherheit und Ruhe. Und somit auch mehr Raum dafür, anderen wirklich zuzuhören, kreative Lösungen zu suchen und zusammen zu tragfähigen Entscheiden zu kommen.

Eine geschützte Lernatmosphäre mit professionellem Feedback hilft Einsteiger*innen und Fortgeschrittenen, das soziokratische Moderieren zu üben und zu vertiefen. Besonders geeignet dafür ist der Lernkreis Soziokratische Gesprächsleitung, auf dem auch die in diesem Artikel beschriebenen Erfahrungen basieren. Für einen Einstieg ins Thema und erste Übungsmöglichkeiten bietet sich der zweistündige Online-Workshop Konsent-Moderation erleben an.