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In interdisziplinären Netzwerken geht es nur zusammen

Wenn Netzwerk-Sitzungen von Streitereien und Irritationen geprägt sind, ist es schwierig, Entscheidungen zu treffen. Die Gynäkologin Monique Wüst vom Geburtshilfe-Netzwerk in Vechtal suchte nach einem Weg, anders mit diesen Situationen umzugehen: «Jetzt spucken wir nicht mehr Galle, sondern finden gemeinsam Lösungen.»

Monique Wüst leitete früher Sitzungen, in denen früher oder später vor allem gestritten wurde. Und sie hatte genug davon: «Unsere Kommunikation kann und muss besser sein. Wir waren alle schnell dabei, uns in Emotionen zu stürzen. Es wurde viel geredet – aber wir haben uns dabei nur immer weiter voneinander entfernt.»

Monique arbeitet als Gynäkologin. Um die Qualität der Geburtshilfeversorgung zu verbessern gibt es in den Niederlanden die sogenannten VSVs (Netzwerke für die Zusammenarbeit in der Geburtshilfe). Dabei handelt es sich um lokale Zusammenschlüsse, in denen neben Gynäkolog*innen und Hebammen, teilweise auch Kinderärzt*innen oder Wochenbettbetreuer*innen involviert sind.

Jede Netzwerkfachdisziplin weiss, wie es am besten wäre

Ausserhalb der Sitzungen, auf der praktischen Ebene, konnten die Gynäkolog*innen und Hebammen des Netzwerkes gut zusammenarbeiten. Aber wenn sie gemeinsame Vereinbarungen treffen, sich beispielsweise auf Behandlungsprotokolle einigen sollten? Das lief nicht gut. Übrigens nicht nur in der Region Vechtdal. Auch in anderen Regionen gab es Spannungen innerhalb der Geburtshilfe-Netzwerke.

Denn die eine Seite hatte eine ideale Lösung im Kopf und konnte kaum glauben, dass die Kolleg*innen der anderen Seite eine ganz andere Sichtweise haben. Die beiden Parteien versuchten, sich gegenseitig von ihrer idealen Lösung zu überzeugen – aber das gelang nicht. Man wurde ungeduldig, ärgerte sich – und die Zusammenarbeit funktionierte je länger desto schlechter.

Sich auf gemeinsame Lösungswege konzentrieren

Weil das VSV Vechtdal konstruktiver miteinander Entscheidungen treffen wollte, haben sie sich für Soziokratie entschieden. Genau wie zehn andere VSVs. Nach fünf soziokratisch begleiteten Sitzungen hat sich die Atmosphäre bereits erheblich verbessert und sie sind viel produktiver geworden. Monique Wüst: «Manchmal können wir schon nach 20 Minuten Gespräch eine Entscheidung treffen. Wir sind jetzt in Sitzungen zielorientierter, anstatt schnell Galle zu spucken. Das liegt daran, wie das Gespräch jetzt geführt wird. Im Moment moderiert noch Pieter van der Meché von The Sociocracy Goup (TSG). Er zeigt uns, wie wir auf soziokratische Weise leichter zu gemeinsamen Ergebnissen kommen können. Und wir sehen, wie wichtig es ist, alle nacheinander zu Wort kommen zu lassen. Jede*r fühlt sich gehört.»

Aber das ist noch nicht alles, es ist nur ein erster Schritt. Monique: «Wenn du gesagt hast, was dich beschäftigt, fragt die externe Moderation weiter: ‹Was genau funktioniert nicht?› Und, ganz wichtig: ‹Hast du einen anderen Vorschlag, siehst du eine Lösung?› Daran waren wir nicht gewöhnt. Am Anfang wussten wir überhaupt nicht, was wir sagen sollten, aber irgendwann kamen uns die Ideen. Dann nickten plötzlich alle und sagten: ‹Ja, so machen wir es!› Aber an diesen Punkt man muss erst einmal kommen!»

Wichtig ist auch die soziokratische «Sitzungshygiene», wie Monique es nennt. «Eine gute Traktandenstruktur und ein System zur Aufzeichnung von Entscheidungen sind Teil der Soziokratie. Das ist es, was wir brauchen. Neben der Begeisterung der anderen VSVs war das ein weiterer Grund, diese Methode zu wählen. Auf diese Weise verlaufen die Sitzungen von vornherein viel reibungsloser, was gut für die Atmosphäre ist.»

Gerade in interdisziplinären Netzwerken geht es nur zusammen

Monique ist der Meinung, dass alle in die Geburtshilfe involvierten Akteur*innen in den Niederlanden ihre Zusammenarbeit mit Hilfe der Soziokratie verbessern könnten. «In den meisten VSVs ist es eine Selbstverständlichkeit, dass wir zusammenarbeiten müssen – Hebammen und Gynäkolog*innen können nicht ohne einander auskommen. Nur haben sie oft so unterschiedliche Vorstellungen über das, was ‹richtig› ist.»

Denn Hebammen und Gynäkolog*innen arbeiten mit einem unterschiedlichen medizinischen Hintergrund: «Gynäkolog*innen arbeiten auf der Grundlage von Evidenz. Die Hebammen befassen sich mehr mit der Situation der schwangeren Frau selbst. Das führt zu unterschiedlichen Einsichten. Und doch müssen wir zusammenarbeiten. In unserem Bereich hat die Soziokratie ihre Stärke bewiesen!»

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