Neue Formen finden

Kollektiv geführte Betriebe, genossenschaftliches Wohnen, solidarische Landwirtschaft, Quartiersinitiativen – Menschen wollen sich vermehrt gemeinschaftlich organisieren.  All diese Gruppen sind auf der Suche nach einer Arbeitsweise, die sich von dem unterscheidet, was die meisten von ihrer Arbeit her kennen. Sie wollen sich gleichberechtig engagieren und die Dinge gemeinsam so gestalten, wie sie wollen.

Doch nach einiger Zeit kommen oft Spannungen auf. Lange Sitzungen, wenig Entscheidungen, nicht eingehaltene Vereinbarungen… Und wie viel Zeit das kostet! Ärger und Unlust machen sich breit und Leute beginnen, auszusteigen. Wie kann das sein? Weshalb ist es oft so schwierig, sich gemeinsam zu organisieren, obwohl alle Beteiligten motiviert und begeistert sind?

Das Rad nicht neu erfinden

Die gute Nachricht ist: Sie müssen das Rad nicht neu erfinden! Überall auf der Welt organisier(t)en sich Menschen in so genannten Commons zusammen. Gemeinsam verwalten sie Ressourcen, seien es Fischgründe, Bewässerungssysteme oder landwirtschaftliche Flächen, die der Gemeinschaft gehören. Einige gibt es schon seit Hunderten von Jahren. Erfolgreiche Allmenden folgen laut Elinor Ostrom alle den gleichen acht Gestaltungsprinzipien (sie erhielt für ihre Forschung zu über 5.000 Allmenden 2009 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften).

Eines der Prinzipien ist die die gemeinsame Entscheidungsfindung. Eine andere: Wenn die Allmende gross und komplex ist, gibt es mehrere Ebenen. Ausserdem gibt es (mehr oder weniger institutionalisierte) Konfliktlösungsmechanismen und das Einhalten von Vereinbarungen wird überprüft.

Das Beste aus beiden Welten

Die Gestaltungsprinzipien von Ostrom sind jedoch kein präzises Handbuch. Vielen neuen Initiativen fällt es daher schwer, eine neue – der bekannten Struktur aus der Arbeitswelt entgegengesetzte – Art der Zusammenarbeit zu finden. Die völlig horizontale Organisation, die häufig angewendet wird, hat auch Nachteile. Alle Entscheidungen gemeinsam zu treffen und in grossen Gruppen allen zuzuhören erfordert sehr viel Zeit, die nicht alle Menschen haben. Auch kann sie informelle Hierarchien befördern, die schwer zu benennen und aufgrund dessen auch nicht veränderbar sind.

Um die Gestaltungsprinzipien der Allmende für eine Gemeinschaft erfolgreich anzuwenden, braucht man ein System, das ihnen Hand und Fuss gibt. Eine effiziente Art, Entscheidungen zu treffen und sich auf mehreren Ebenen zu organisieren. Ohne dass diese Struktur das Gemeinschaftsgefühl beeinträchtigt: das Gefühl, dass man es wirklich zusammen macht und gleichberechtigt ist. Dabei hilft das Soziokratische Kreisorganisationsmodell (SKM), indem es die vorhandene Prozesshierarchie mit Selbstorganisation kombiniert und so die Vorteile der horizontalen und der vertikalen Organisation nutzt.

Neue Wege einschlagen

Dank der Aufteilung in verschiedene Kreise können die einzelnen Gruppen jetzt unabhängig voneinander arbeiten. Das spart Zeit und die Menschen können sich mehr auf das konzentrieren, was sie gerne tun. Einige ziehen es vor, am Budgetplan zu arbeiten, andere wollen lieber Gebäude renovieren. Dank einer intelligenten Verbindung zwischen den Ebenen durch das Prinzip der «Doppelten Kopplung» werden trotzdem alle Beteiligten einbezogen.

Eine weitere Methode ist die integrative Art der Entscheidungsfindung. In der Soziokratie werden Entweder-Oder-Entscheidungen und Abstimmungen vermieden. Die Gruppe entscheidet im Konsent nach dem Grundsatz: Was ist für alle akzeptabel, ohne dass es die Lieblingslösung von allen sein muss? Als Gruppe wird man kreativ: wenn es weder Entscheidung A noch Entscheidung B sein muss, öffnet sich Raum, um gemeinsam nach der Entscheidung C zu suchen. So lösen sich Blockaden auf und plötzlich machen Sie wieder Fortschritte. Plötzlich macht es wieder Spass, zusammenzukommen.

So lassen sich Projekte organisieren, ohne dass Machtspiele und finanzielle Interessen dominieren. Um gemeinsam etwas zu bewegen!