Organisationen mit Zukunft*
Man muss kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass wir es auf diesem Planeten mit immer komplexer werdenden Problemen zu tun haben. Wir brauchen die Kreativität und Weisheit aller, um diese Probleme zu lösen. Wenn Maschinen und Roboter mehr und mehr Aufgaben übernehmen, können wir unseren Verstand nutzen, um zu denken, erfinderisch zu sein und unser Leben, unsere Organisationen und Gesellschaften effektiver zu gestalten. Doch die Ergebnisse unserer „Schöpfungen“ sind abhängig von der Qualität unserer Gedanken, sowohl auf der individuellen als auch auf der kollektiven Bewusstseinsebene.

Unvorhersehbaren Turbulenzen ausgesetzt
Mit unserem Wissen über die universellen Gesetze sind wir schon lange in der Lage, zum Mond zu reisen und alle Arten von technischen Innovationen zu schaffen. Aber Innovation in unserem sozialen Leben findet nicht auf die gleiche Weise statt. Wir wissen vielleicht, wie man ein Flugzeug fliegt, aber wir haben nicht in gleicher Weise gelernt, wie man eine Organisation oder eine Gesellschaft gestaltet und führt – was, wie das Fliegen eines Flugzeugs, auch ein Prozess ist, der unvorhersehbaren Turbulenzen ausgesetzt sein kann. Der Film-Klassiker „Power of Ten“ kann uns deutlich machen, dass wir in einem hierarchisch-vernetzten System leben, vom kleinsten Teilchen einer Zelle bis zum grössten System einer Galaxie. Einem System mit sich bewegenden Elementen, jeweils einzigartige Teile eines grösseren Ganzen. Und wir sehen weder einen Anfang noch ein Ende.
Angesichts bedrohlicher globaler Faktoren wie Covid 19
Fragen wir uns, wie wir angesichts dieser Rahmenbedingungen mit einem bedrohlichen globalen Faktor wie Covid 19 in unserem Leben umgehen: Fliehen wir vor der Anspannung, ignorieren wir die Tatsache, dass Covid 19 eine ernsthafte virale Bedrohung darstellt und glauben wir, dass es keine Notwendigkeit gibt, unser Verhalten zu ändern? Flüchten wir vor dem Stress in Alkohol oder Drogen? Gehen wir davon aus, dass die Regierung, die Polizei oder die Medien „die Macht haben und dafür bezahlt werden, das Problem für uns zu lösen“? Erstarren wir und bleiben die ganze Zeit zu Hause, in der Hoffnung, dass der Schaden nicht allzu gross sein wird? Werden wir depressiv, wenn es zu lange zu dauern scheint?
Kämpfen, Fliehen oder Erstarren sind nicht die einzige Möglichkeit
Oder nutzen wir unsere Kreativität? Können Sie die Dienste Ihrer Organisation in anderer Form anbieten? Nutzen Sie diese Zeit, um sich an Ihre Leidenschaft zu erinnern und Ihrem Herzen zu folgen? Finden Sie andere Wege, einen Beitrag zu leisten, indem Sie tun, was getan werden muss? Um mit den störenden Faktoren in unserem Leben umzugehen, müssen wir unseren Geist vom Kämpfen, Fliehen oder Erstarren auf eine nächste Ebene entwickeln. Unsere Wirtschaft basiert immer noch auf Knappheit, Trennung, Besitz oder Ausbeutung. Unsere Demokratie ist ein duales System (Regierung vs. Opposition) mit gewinnenden Mehrheiten und verlierenden Minderheiten. Unsere Organisationen haben immer noch weitgehend eine lineare Machtstruktur, wie Armeen oder die meisten Kirchen. Und viele denken in Begriffen wie gut oder böse, richtig oder falsch, Geheimhaltung, Bestrafung, etc.
Ein nicht auf Angst gegründetes Social Design
Sollten wir nicht ein Social Design praktizieren, das einen Paradigmenwechsel vollzieht und auf universellen Prinzipien basiert, wie Verbindung, Inklusivität, Freude, Liebe, Vertrauen, Fülle, Sowohl-als-auch, Offenheit, Vergebung, Austausch, Win-Win-Beziehungen und fairen Vereinbarungen – und nicht auf Angst? Einige werden denken, dass dies zu idealistisch oder unrealistisch ist. Doch wir bekommen, was wir denken. Solange wir in Begriffen der Trennung und des Ausschlusses denken, werden wir das bekommen, was wir schon immer hatten, und wir werden die komplexen Probleme, die wir geschaffen haben, weiterhin nicht lösen. Trennung und Knappheit werden oft als Argumente benutzt, um den Anschein von Ordnung und Sicherheit aufrecht zu erhalten.
Spannungen sind der Beginn eines kreativen Prozesses
Es scheint beinahe so, als ob in unseren Organisationen und Gesellschaften alle Arten von Veränderungen erlaubt seien mit Ausnahme einer Veränderung der Machtstrukturen von linear zu zirkulär. Soziokratie hilft uns, mit dem Umdenken zu beginnen. Spannungen sind der Beginn eines kreativen Prozesses. Fehler und Toleranz sind notwendig, um vorwärts zu kommen. Vertrauen und Sicherheit sind keine festen, sondern dynamische Zustände. Sie können verschwinden – und deshalb müssen wir in der Lage sein, sie zu reparieren. Eine soziokratische Organisation ist eine lernende Organisation. Meetings sollten keine Schlachtfelder sein, sondern Momente der Verbindung, des gemeinsamen Lernens und der Entwicklung.
Kinder mögen Soziokratie
Kinder mögen Soziokratie und lernen sie leicht, weil sie fair und enthusiastisch ist. Jedermanns Stimme wird gehört, Kämpfe erweisen sich als nicht effektiv, die Entscheidungsfindung ist gleichwertig, Informationen sind offen, Engagement und Ausrichtung steigen und die Abwesenheitsraten sinken. Für unseren konditionierten Verstand klingt das alles wie ein idealistisches Wunderwerk und überhaupt nicht realistisch. Doch wer erfahren will, wie realistisch Soziokratie vorgeht, hat viele Möglichkeiten. Zum Beispiel die Teilnahme an einer soziokratische Leistungsbeurteilung, einem soziokratischen Entwicklungsgespräch.
Soziokratische Leistungsbeurteilungen sind sehr realistisch
Das funktioniert so: Innerhalb einer soziokratischen Organisation bittet die Kandidatin als Verantwortliche für ihre Entwicklung um ein strukturiertes Feedback in einem Meeting, an dem nicht nur sie selbst und ihre Vorgesetzte, sondern auch mindestens eine Person aus dem Kollegenkreis und eine Mitarbeitende teilnehmen. Auf diese Weise wird ihr relevanter Arbeitskontext gründlich repräsentiert. Alle Teilnehmenden des Entwicklungs- und Beurteilungsmeetings sind gleichberechtigt in der Entscheidungsfindung und mitverantwortlich für die Unterstützung der Entwicklung der Kandidatin – und der Organisation. Basierend auf den Gesprächsrunden und den Schlussfolgerungen am Ende des Beurteilungsmeetings, erstellt die Kandidatin eine Aktionsliste. Nach einer Überprüfung mit der Vorgesetzten bringt sie diesen konkreten Entwicklungsplan zum nächsten Sitzungstermin ihres Kreises (Kreisversammlung) mit. Und damit beginnt ein nächster Schritt individueller und gemeinsamer Entwicklung.
Systemtheorie und das Unterstützen von Veränderung
Die Systemtheorie lehrt uns, dass die Änderung von Verhalten keine Frage des Umlegens eines Schalters ist, sondern Unterstützung durch die Umgebung erfordert. Das ist der Grund, warum traditionelle Leistungsbeurteilungen nicht effektiv sind und ein Grund, warum einige grosse Organisationen in den Niederlanden aufgehört haben, sie durchzuführen. Soziokratisches Arbeiten ermöglicht Organisationen gründlicher zu lernen. Eines der Elemente dieses Systems sind die oben skizzierten Leistungsbeurteilungen, die zur Entwicklung aller Beteiligten beitragen. Die Kandidatin bekommt Hilfe von ihrer Umgebung und alle Teilnehmenden hören, welche Erwartungen an sie gestellt werden, von oben nach unten und von unten nach oben. Solche Reviews schaffen Verständnis und Wertschätzung.
Lassen Sie uns den Wechsel beginnen und es wagen, die Idealisten unter den Realisten und die Realisten unter den Idealisten zu sein.
* Dieser übersetzte und leicht modifizierte Artikel von Annewiek Reijmer, CEO von TheSociocracy Group, erschien vor wenigen Wochen im internationalen TSG-Newsletter.
Einen kompakten Einblick in die Grundzüge der Soziokratischen Leistungsbeurteilung bietet unser Webinar „Soziokratisches Entwicklungsgespräch“.