… und eines Tages war kein Geld mehr da… – mit Soziokratie durch die Krise

… und eines Tages war kein Geld mehr da…

– mit Soziokratie durch die Krise ​​

Dieser Werkstattbericht beruht auf einem konkreten Fall. Die phoenix Wohngemeinschaften für besondere Jugendliche haben überlebt. Nicht zuletzt dank Soziokratie. Die frühere Trägerschaft (eine inhabergeführte GmbH) kam in grosse finanzielle Schwierigkeiten, die mit der operativen und pädagogischen Arbeit von phoenix nichts zu tun hatten. Dank dem grossen Engagement vor allem des Leitungskreises (operative Ebene) von phoenix, konnte in kurzer Zeit eine neue Trägerschaft gegründet werden, welche die Wohngemeinschaften nun weiterführt. phoenix hatte im März 2016 die Soziokratie eingeführt. Der Werkstattbericht ist eine Zusammenfassung von Gesprächen mit den Leitungskreismitgliedern (Gesamtleitung, Teamleiterinnen, Delegierte). Aus den gesammelten Erfahrungen können Organisationen unterschiedlicher Branchen und Grössen ihren Nutzen ziehen – in, vor und statt einer Krise.

Was waren Schlüsselmomente für Euch?

Als wir im Leitungskreis besprechen konnten, wie es uns aktuell geht, was die Herausforderungen sind und welche Szenarien es für die Zukunft gibt. Eine grosse gegenseitige Offenheit war möglich. Das war sehr wichtig und verbindend. Wir haben Endpunkte festgelegt – auch, wie lange wir das noch gemeinsam weitertragen können. Überhaupt: Im Leitungskreis konnte schnell gemeinsam reagiert werden. Durch die SKM hatten viele viel Wissen. Wir konnten etwas tun – und unser Tun hatte Wirkung.

 

Welche Krisenmomente waren besonders herausfordernd?

Unser beginnendes Misstrauen gegenüber der GmbH-Geschäftsführung. Zu merken, es ist berechtigt. Deshalb auch immer wieder die Frage: Wann ist der richtige Zeitpunkt um zu informieren? Und das Andauern der Krise, dass das Ende wie nicht absehbar war. Wie sollten wir die Mitarbeitenden auf Dauer bei der Stange halten, ohne zu wissen, wie lange es noch so weitergehen wird?

 

Wie hat Soziokratie dazu beigetragen, diese schwere Krise zu überstehen?

Wir haben früh von der Krise erfahren. Die Soziokratie hat die Schwierigkeiten ans Licht gebracht: Durch die Einführung des Topkreises war klar, dass es nun in die Kompetenz der operativen Leitung und damit auch in den Leitungskreis gehört, das Budget zu erstellen und die finanzielle Verantwortung für den Betrieb zu übernehmen.

 

Transparenz, vor allem auch durch die für alle zugänglichen Protokolle. Alle waren auf allen Ebenen informiert – sonst wären viele abgesprungen. Es sind nicht nur Entscheide mitgeteilt worden, sondern auch die Argumente, die dazu geführt haben. Damit war nachvollziehbar, was sich die Beteiligten gedacht hatten.

 

Im Leitungskreis waren drei Ebenen vertreten– die Delegierten waren sehr sehr wichtig, weil sie das Bindeglied zu den Mitarbeitenden waren. Sie hatten eine Schlüsselrolle, die Befürchtungen und Ängste aufzufangen. Sie haben diese Funktion hervorragend ausgefüllt.

 

So war der Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl in der Organisation grösser – weil nicht soviel von einer Person abhängig ist. Die nötigen Schritte wurden zusammen abgesprochen. Das hat Rückhalt gegeben. Dank der Soziokratie und dem damit grösseren Selbstvertrauen in den Sitzungen waren wir gewohnt zu argumentieren.

 

Was sind Eure Krisenempfehlungen an Leitungsteams in anderen Organisationen?

Sehr gut informieren über Entscheide, die dringend gefällt werden müssen. Darauf achten, dass alle den gleichen Wissensstand haben und es bei den Leuten auch wirklich ankommt. Transparenz schaffen! Denn wenn das ausbleibt, dann wird’s schnell sehr schwierig.

 

Zu verstehen, dass in der Krise nicht immer Zeit ist perfekt soziokratisch zu arbeiten – manchmal muss schnell reagiert werden. Dann den Mut haben, auch mal lineare Entscheide zu treffen und akzeptieren, wenn es nicht alle mittragen können. Das geht u.a., weil man sich in der Leitung auf die erarbeiteten Grundsätze berufen kann. Was hilft: Kurze soziokratische Sequenzen spontan einbauen (Konsententscheid) oder in einer folgenden Kreisversammlung einen Entscheid nochmals besprechen. Es ist ein breiteres Abstützen, man ist sich immer wieder bewusst, als Leiterin nicht alleine zu sein.

 

Offenheit auf allen Ebenen von Anfang an. Üblich ist sonst, dass oben viel passiert und der Rest nicht involviert ist. In der Soziokratie ist es möglich, selber auch Entscheide zu treffen, sich nicht (so) hilflos zu fühlen.

 

In den Leitungskreisen für Klarheit sorgen und Orientierung geben. Wichtig ist, die Befürchtungen und Bedenken aus den Teams aufzunehmen, als Ressource zu verstehen, weil die Leitung ja nicht an alles denken kann. Wer so den Rückhalt sucht, wird ihn auch finden.

 

Soziokratie nicht in einer Krise einführen. Ist Soziokratie aber eingeführt, schafft sie eine Basis, schafft sie Vertrauen. Und nicht lasch werden mit der Anwendung der Soziokratie. Soziokratie nicht einfach als Methode behandeln – sie ist auch eine Haltung.

 

Und was war der „schönste“ Moment in der Krisenzeit?

Der starke Zusammenhalt im Leitungskreis und den Teams, den wir jeden Tag spüren konnten. Obwohl wir teilweise erst im Nachhinein realisiert haben, wie speziell und anders als in anderen Organisationen das war.

 

In solchen Momenten sich offen austauschen können, Befürchtungen aussprechen und dann konkret daraus handeln. Wichtig und hilfreich war gerade in solchen Situationen die soziokratische Begleitung und das damit verbundene  Coaching. Irgendwie war klar, wir ziehen das durch, obwohl alle immer wieder Zweifel hatten.

Danke für Eure Mitwirkung!

 

Phoenix wurde bei der Implementierung der Soziokratie von Christine Krämer begleitet. Christine ist TSG-zertifizierte Soziokratie Beraterin mit bald einem Jahrzehnt Soziokratie-Erfahrung.

 

Der zweite Teil dieses Werkstattberichts erscheint in einer der nächsten Newsletter-Ausgaben. Sie finden dort Soziokratische Freuden und Herausforderungen bei der Implementierung und im Alltag.

 

Überlegen Sie, Soziokratie in Ihrer Organisation einzuführen? Lassen Sie sich kostenlos und ohne weitere Verpflichtungen über die Möglichkeiten in Ihrer Organisation informieren. Wenden Sie sich gerne an:

info@thesociocracygroup.ch oder c.kraemer@kraemer-beratung.ch