WARUM VERBESSERUNGEN HÄUFIG NICHT GUT FUNKTIONIEREN
Was für dich eine Verbesserung darstellt, ist es für andere in der Organisation oft nicht. Die anderen können deine Sicht nicht nachvollziehen, weil sie zu wenig über deine Arbeit wissen. Kontinuierliche Verbesserungen gelingen besser, wenn man das Gesamtbild der Organisation im Kopf hat.
Beginnen wir gross: Toyota ist seit Jahrzehnten für sein Kaizen-System zur kontinuierlichen Verbesserung auf allen Ebenen des Unternehmens bekannt. Leider verlor Toyota seine Lerneinstellung aus den Augen, weil es so verzweifelt versuchte, der grösste Autohersteller der Welt zu werden.
Das Ergebnis: Immer wieder mussten Autos wegen Problemen ins Werk zurückgeschickt werden. Das kostete Ansehen und Geld. Wie konnte das passieren?
Laut einer Untersuchung in der Harvard Business Review ist der Hunger nach Erfolg einer der vier Gründe, warum effektive Verbesserungen in Organisationen stagnieren. Die anderen drei sind:
• die Tendenz, erst zu handeln und dann nachzudenken
• der Reflex, dazugehören zu wollen
• zu viel auf Expert:innen zu hören
Wenn du etwas davon in deiner eigenen Organisation wiedererkennst, bist du nicht allein. Es ist schwierig, diese Fallstricke zu vermeiden. Denn an der kontinuierlichen Verbesserung, der Prozessoptimierung, der lernenden Organisation oder wie auch immer es genannt wird, sind viele Menschen beteiligt – in jedem Winkel der Organisation. Das macht es kompliziert. Denn woher wissen all diese Menschen voneinander, was sie tun?
Manchmal wirkt eine solche Organisation wie ein Inselreich
Da gibt es die Leute von der «Insel Marketing», die Leute vom «Atoll Produktion», den «Admin-Stamm» und viele mehr. All diese Inselbewohner treffen sich selten. Ja, beim Weihnachtsapéro oder beim Betriebsausflug. Aber dort reden sie darüber, wie gut Urs Limbo tanzen und dass Angela mehr als 2 Minuten unter Wasser schwimmen kann. Kontinuierliche Verbesserung steht dann nicht im Vordergrund.
Der Punkt ist: Mitarbeiter:innen, insbesondere in etwas grösseren Organisationen, wissen oft wenig über den Inhalt der Arbeit der anderen. Warum sollten sie auch? Um ihre tägliche Arbeit zu erledigen, brauchen sie das scheinbar nicht. Aber: Eine kleine Entscheidung in einem Teil der Organisation kann einen anderen Teil vor grosse Schwierigkeiten stellen.
Kontakt zwischen diesen Inseln – das ist es, was Organisationen brauchen.
Im Kontakt zwischen Vertreter:innen verschiedener Bereiche – wenn sie regelmässig zusammensitzen, auch in unterschiedlichen Hierarchieebenen – geschieht etwas Wichtiges.
Dann dämmert allmählich die Erkenntnis: Egal wie unterschiedlich unsere Arbeit ist, wir brauchen einander. Wir arbeiten gemeinsam in einem Unternehmen, wir haben das gleiche Ziel. Bei einem solchen Meeting eröffnet sich uns eine breitere Sichtweise, es kommen viel mehr Facetten desselben Problems auf den Tisch.
Und: Meine Verbesserungen wirken sich auf meine Mitstreiter:innen aus. Ich sehe: Was für mich klein ist, kann für sie gross und schwierig sein (der Schmetterlingseffekt).
Kurzum, an solchen Orten spürt man: Nachhaltige Veränderung und Verbesserung ist zuallererst auch ein sozialer Prozess. Deshalb ist es wichtig, sich strukturell zu treffen. Nicht nur in speziellen Projektgruppen, sondern systematisch verknüpft, regelmässig, organisationsweit. Diese Orte, wir nennen sie Kreise, sind entscheidende Inkubatoren für Verbesserungen. Hier entsteht das Gesamtbild in den Köpfen aller. Hier hast du das gesamte System im Raum.
Die Kreise sind keine neuen Inseln. Durch geschickte Verknüpfung sind sie die Brücken zwischen den Inseln in deiner Organisation. Dank der Kreise wissen die Bewohner:innen, wie die anderen Inseln aussehen, wie sie miteinander verbunden sind, wie viel Einfluss ihre Verbesserungen auf die anderen haben. Ebenso wichtig ist, dass das gesamte System im Raum gleichberechtigt an den Entscheidungen beteiligt ist.
Gleichwertigkeit entschärft die Big Four
Ohne diese Gleichheit überwiegen die Argumente der einen die der anderen, auch wenn starke Einwände da sind. Und dann sind deine Kreise nutzlos und deine Verbesserungen sind gefährdet. Dann drohen sofort die vorhin erwähnten vier grossen Fallen. Denn nehmen wir an, einige der anwesenden Toyota-Mitarbeiter:innen hätten gewusst: Dieser Ehrgeiz, der grösste zu werden, wird bei diesem Tempo zu Problemen führen. Hättest du es gewagt, die Party zu stören und deine Einwände vorzubringen (viele kennen den Schweiss an den Händen, die Magenschmerzen, wenn man dem/der Chef:in widerspricht…)? Und wenn du es gesagt hättest, hätte man dir dann lange genug zugehört?
Deshalb ist es so wichtig, Entscheidungen auf der Grundlage der Gleichwertigkeit zu treffen. Die Zustimmung ist der grosse Gleichmacher. Sie ist die Zutat, die die Big Four aus der Harvard-Forschung entschärft. Wenn man das schafft, dann kann beispielweise der Ehrgeiz Einzelner nicht das Wissen der Gesamtorganisation überlagern. Dann kann man sich wirklich verbessern, weil das Gesamtbild wichtiger ist als Einzelinteressen.