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Zertifizierte Soziokratische Moderator:in werden

Moderieren lernt man nur durch Machen. Andrea Voellmy hat sich letztes Jahr als soziokratische Moderator:in zertifizieren lassen. Im Interview erzählt sie von ihren Erfahrungen dabei.

Wieso hast du dich für eine Zertifizierung entschieden?

Ich hatte mich schon eine Weile mit dem Soziokratischen Kreisorganisationsmodell (SKM) auseinandergesetzt und auch schon den Lernkreis «Soziokratische Moderation» besucht.

Anfangs ging es mir vor allem darum, das Wissen in eigenen Projekten oder Gruppen, in denen ich aktiv war, fundierter einbringen zu können. Mit der Zeit hatte ich dann aber auch Lust, in anderen Gruppen zu moderieren und diese Fähigkeit auch im beruflichen Kontext einzubringen: deshalb die Zertifizierung.

Wie hast du den Zertifizierungsprozess erlebst?

Die Zertifizierung besteht ja aus 4 Schritten: In der Regel dem Besuch zweier Ausbildungsmodule, der Teilnahme am Lernkreis Soziokratische Moderation und die Organisation, Vorbereitung und Moderation einer Anzahl von Kreisversammlungen auf soziokratische Weise. Danach die Reflektion über diese Erfahrungen in einem Bericht und ein abschliessendes, ebenfalls soziokratisch organisiertes, Prüfungsgespräch.

Anspruchsvoll fand ich dabei vor allem, in unterschiedlichen Gruppen zu moderieren, die noch nie mit SKM gearbeitet haben. Im Lernkreis kennen ja alle Teilnehmenden schon die Grundlagen der Soziokratie – das macht vieles für den Einstieg leichter. In den Gruppen, für die SKM neu war, war es dafür sehr spannend und überraschend zu sehen, wie sich Dynamiken verändert haben oder gewisse Prozesse plötzlich anders verlaufen sind als sonst. Besonders eindrücklich fand ich das in den Gruppen, in denen ich vorher schon dabei war.

Was waren deine wesentlichen Lernerfahrungen?

Ein wichtiges Thema war die Frage, wie viel Verantwortung ich als Moderator:in übernehme – und wofür genau. Die soziokratische Moderation unterscheidet sich ja von der «klassischen» Moderation unter anderem dadurch, dass die Moderator:in in der Regel nicht auch die Leitung des Kreises übernimmt, also nicht in diese «allmächtige» Rolle kommt, in der sie für alles verantwortlich ist. Es gibt eine klare Strukturierung der gesamten Kreisversammlung, insbesondere des Entscheidungsprozesses, und die Aufgabe der Moderation ist in erster Linie, dem Kreis bei seiner Arbeit zu helfen, indem sie diese Struktur sicherstellt. Und dabei zu schauen, dass alle gleichmässig zu Wort kommen.

Die inhaltliche Verantwortung hingegen (dass man zu einer Lösung kommt, die gut genug ist für alle) liegt zum einen bei der Leitung des Kreises und – hauptsächlich: bei allen Mitgliedern des Kreises.

Auch wenn die Strukturen diese Verantwortungsübernahme der Gruppe unterstützen, passiert es mir in der Praxis – und vor allem, wenn die Gruppe noch wenig Erfahrung mit Soziokratie und vielleicht auch eine gewisse Erwartungshaltung an die Moderation hat – oft, automatisch in eine eher «klassische» Moderationsrolle zu switchen und zu viel Verantwortung zu mir zu nehmen. Immer wieder diese Verantwortung in die Gruppe zurückzugeben, anstatt als Moderator:in die perfekte Lösung für die Gruppe finden zu wollen, war also eine ständige Herausforderung. Ich habe aber häufig die Erfahrung gemacht, dass es sich wirklich lohnt – einfach weil die Resultate besser sind.

Insofern war für mich die Zertifizierung inklusive Bericht und Prüfungsgespräch auch eine gute Möglichkeit, meine eigene Praxis und Rolle zu reflektieren.

Wo liegt in deinen Augen der grösste Mehrwert soziokratischer Moderation?

Einen grossen Mehrwert sehe ich im Sprechen im Kreis. Ich habe den Eindruck, dass sich die Kreismitglieder sichtbar entspannten, sich die Prozesse entschleunigten und dass sich mehr Menschen beteiligt haben; auch ich selbst bemerke bei mir dadurch mehr Geduld und Bereitschaft, anderen zuzuhören.

Durch die Struktur der Entscheidungsfindung in Bildformung, Meinungsbildung und Konsentrunde gibt es ausserdem ein klares Vorgehen und alle wissen, was als nächstes passiert: Das gibt Sicherheit, und ermöglicht mehr Präsenz: also einerseits mehr in der Wahrnehmung zu sein, und andererseits inhaltlich beim Thema zu bleiben – und darum dann bessere Lösungen finden. Es freut mich, wenn sich alle Gruppenmitglieder gehört fühlen und Gruppen auf diese Weise etwas hinkriegen, was sie vorher so nicht geschafft haben.

Möchtest du dich als Soziokratische Moderator:in zertifizieren lassen? Hier gibt es mehr Informationen zu unserem Ausbildungsweg und den Voraussetzungen für eine Zertifizierung. Nach der Zertifzierung kann man in einem COSE-Kreis mitmachen, wo sich Zertifizierte gegenseitig beraten und unterstützen.