Zusammenhalt stärken
Im Gemeinschaftszentrum «Der See» treffen sich Anwohner*innen, Freiwillige und Organisationen und bilden eine Gemeinschaft, die auch in den Rest des Quartiers ausstrahlt.
«Der See» ist das selbsternannte Wohnzimmer der Nachbarschaft und bietet Raum für eine Vielzahl an Aktivitäten: von Sprachunterricht bis hin zu Computerkursen, Reparatur-Cafés, gemeinsamen Kochen, Essen und Kulturveranstaltungen – aber auch, um einfach eine Tasse Kaffee zu trinken, sich zu treffen oder Zeitung zu lesen. Neben einem kleinen Team bezahlter Mitarbeiter*innen wird «Der See» vor allem von Freiwilligen aus der Nachbarschaft getragen. Doch die Zusammenarbeit zwischen Besucher*innen, Angestellten, Freiwilligen und weiteren Partnern ist nicht immer einfach.
Drei Gespräche darüber, wie mit Hilfe soziokratischer Methoden der Zusammenhalt gestärkt werden kann.
«Die Qualität der Zusammenarbeit hat sich enorm verbessert.»
Tim, Leiter GZ
«Als ich hier von der Soziokratie hörte, dachte ich: Das kommt meinem natürlichen Führungsstil sehr nahe. Ich habe immer versucht, das individuelle Interesse der einzelnen Menschen mit dem Interesse der Gemeinschaft zu verbinden. Aber in der Soziokratie gibt es dafür einen klaren Prozess mit klaren Regeln. Für mich ist das bahnbrechend. Jede*r kann sich am Prozess beteiligen und die Schritte, mit Hilfe derer Entscheidungen getroffen werden, sind klar.
Seit wir die Soziokratie eingeführt haben, werden Entscheidungen nicht nur von der Leitung, sondern auch vom Personal und den Freiwilligen getroffen. Die Freiwilligen trauten der Sache zunächst nicht, sie dachten: Wenn ich jetzt den Mund aufmache, darf ich nicht mehr kommen. Vielen fiel es schwer, ihre Meinung zu äussern, teilweise auch aufgrund von Sprachbarrieren. Jetzt können sie es sich nicht mehr anders vorstellen.
Durch die Soziokratie hat sich die Qualität der Zusammenarbeit erheblich verbessert. Ich als Leitung muss zum Beispiel weniger Probleme im Tagesgeschäft lösen, weil die Freiwilligen mehr übernehmen. Wir haben auch klarere Vereinbarungen, zum Beispiel darüber, wer unsere Räume nutzen darf und wie oft. Das war nicht immer so.
Die soziokratische Struktur im GZ ist für mich erst der Anfang. Ich möchte auch einen Kreis mit anderen Gemeinschaftszentren bilden – wir können uns gegenseitig helfen. Und ich will den Gemeinderat in unsere Kreisstruktur einbeziehen! Für mich ist die soziokratische Arbeitsweise eine lebensverändernde Erfahrung. Es ist eine Methode, die meine intuitive Arbeitsweise strukturiert.»
«Wir wollen, dass das Zentrum für die gesamte Nachbarschaft offen ist.»
Roy – Freiwilligenkoordinator
«Du wohnst im Zentrum», sagen die Leute manchmal. Das stimmt, ich bin fast immer hier. Aber seit wir auf die neue Art arbeiten, bin ich noch involvierter als vorher. Früher haben wir Freiwilligen unsere Arbeit getan, das war alles. Und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Als wir mit diesen Kreisversammlungen anfingen, fand ich sie total daneben. Ich hatte noch nie an so einem Treffen teilgenommen. Ich war nervös und wusste nicht, was passieren wird. Tim, unsere Leitung, wollte, dass wir sagen, was wir wollen. Aber erst nach zwei oder drei Sitzungen wurde mir klar, was die Absicht dahinter war. Jetzt kann ich im Kreis meine Meinung sagen. Und ich bedauere, dass ich das vorher nicht durfte. In den Kreisversammlungen suchen wir in aller Ruhe nach Lösungen. Ich sehe sowohl die Mitarbeiter*innen als auch die anderen Freiwilligen und wir sagen uns, was wir voneinander erwarten. Das motiviert mich. Ich spüre Unterstützung und ich gebe sie.
Wir wollen, dass die Anwohner*innen in diesem Haus die Hilfe finden, die sie brauchen. Dass das Zentrum für die gesamte Nachbarschaft offen ist. Das haben wir im Allgemeinen Kreis so beschlossen. Die Atmosphäre hat sich verbessert. Die Besucher*innen sagen: Es ist jetzt viel entspannter hier. Und auch zwischen den Mitarbeiter*innen gibt es weniger Spannungen. Wir helfen uns gegenseitig mehr, weil wir uns besser verstehen. Das macht mich glücklich.»
«Ich habe mein Vertrauen zurück.»
René – organisiert kulturelle Aktivitäten
«Die Zusammenarbeit mit dem GZ hatte sich in den letzten Jahren etwas schwierig gestaltet. Alles war chaotisch. Einmal wurde mir gesagt, ich könne den grossen Saal so lange benutzen, wie ich wolle. Beim nächsten Mal wurde ich gescholten, weil ich zu lange weitergemacht hatte. Die Tatsache, dass es jetzt klare Vereinbarungen gibt und dass sie für alle gelten, ist ein grosser Gewinn. Alles ist transparenter. Wir haben jetzt Kreisversammlungen mit allen Partnerorganisationen. Die Technik, in Runden zu sprechen, macht das Ganze menschlicher. Unterschiede, die auf Bildung, Begabung oder eine andere Muttersprache zurückzuführen sind, werden minimiert. Leute, die vorher nichts gesagt haben, sagen jetzt im Kreis ihre Meinung. Die Runden geben ihnen Zeit dazu. Ich finde das grossartig.
Die letzten drei Male ging es in unserem Kreis um die Raumaufteilung. Ehrlich gesagt geht mir das Thema langsam auf die Nerven! Aber es ist eine Erleichterung, dass wir als Partner des GZ in einem Kreis zusammenkommen und uns gemeinsam organisieren. In diesem Kreis kann es zur Zusammenarbeit verschiedener Initiativen kommen, anstatt um dieselben Fördermittel zu konkurrieren. Denn dann ist einer von uns der Gewinner, aber für die anderen bleibt nichts übrig. Das ist keine Gemeinschaftsbildung.»